EDITORIAL Bedarfsplanung auf den Kopf gestellt
Donnerstag, 01. August 2019
Info 08-19
Liebe Mitglieder, das Heidelberger Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) meldete in dieser Woche, dass Krebserkrankungen zukünftig (noch) deutlich häufiger vorkommen werden – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. Aber auch in Deutschland werden die Zahlen der Neuerkrankungen zunehmen. Statistisch von derzeit etwa 500.000 pro Jahr auf rund 600.000 Erkrankte im Jahr 2030. Gründe seien nicht nur pauschal in der Demographie zu sehen, ausschlaggebend seien insbesondere ungesunde Lebensstil-Faktoren, Rauchen, Trinken, Essen, mangelnde Bewegung. Bildlich gesprochen rollt ein „Tsunami an Krebserkrankungen“ auf das Gesundheitssystem zu. Wie sollen all diese „Fälle“ adäquat behandelt und versorgt werden? Wie passt das u.a. mit den Krankenhaus-Schließungsempfehlungen der Bertelsmann-Stiftung zusammen?
Wie gut, dass Minister Spahn dies schon antizipiert und Vorsorge trifft. Das „Digitale Versorgung-Gesetz (DVG)“ sieht vor, dass Gesundheits-Apps verstärkt in die Versorgung einbezogen werden. Ärzte sollen künftig Apps zur Dokumentation, wie etwa Diabetes- oder Schmerztagebücher, Apps für Menschen mit Bluthochdruck, digitale Hilfen für Menschen mit Migräne oder zur medizinischen Betreuung Schwangerer, kassengängig verschreiben können. Befragungen ergaben, dass Patient*innen die Angebote telemedizinischer Sprechstunden begeistert nutzen würden, weshalb sie folgerichtig ausgebaut werden. Ärzt*innen dürfen/ sollen künftig auf ihren Praxis-Webseiten über diese Online-Angebote informieren. Profitieren sollen davon aus Sicht des BMG explizit auch chronisch kranke und ältere Menschen. Nach einer Prüfung durch das BfArM ( welches nun nach Spahns Willen mit dem DIMDI fusioniert wird) auf Sicherheit, Funktion, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit sollen Apps für ein Jahr eine vorläufige Zulassung erhalten. In dieser Zeit müssen entsprechende Nutzennachweise generieren werden. Wie schnell es doch gehen kann, wenn es politisch gewollt ist. Qualitätssicherung light. Stellen Sie sich vor, die Vergütung neuer radiologischer Diagnostik- und Therapiemethoden, wie beispielsweise die mpMR Prostatografie, würde so unbürokratisch erprobt und in die Gebührenordnung eingepflegt werden? Aber da ist trotz Nutzennachweis noch ein längerer Weg zu gehen.
Zeitgleich zur Verabschiedung des DVG durch das Bundeskabinett, wurden im Juli die Ergebnisse einer anderen Studie,Bevölkerungsbefragung "Digitale Kompetenzen im Alter", im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ( von wem auch sonst), vorgestellt, die besagt, dass digitale Gesundheitsangebote von älteren Menschen voraussichtlich weniger genutzt werden. In Zahlen: unter den 60- bis 69-Jährigen sind 50 Prozent, bei den über 70-Jährigen nur 36 Prozent digital aktiv. Sicherlich zu pauschal, aber: wie können innovative und gesetzlich verordnete Gesundheitsmaßnahmen greifen, die eine immer älter und größer werdende Patient*innenschaft gar nicht wahrnehmen will oder kann? Was ist das dann? Planung am Bedarf vorbei? Fest steht: für jede*n in jedem Alter dürfte es insgesamt bedeutender werden, digitale Kompetenzen zu erwerben, um sich den Alltag zu erleichtern. Wird es aber gar zu einer Überlebensfrage werden? Schöne neue Welt!
Herzliche Grüße aus Berlin Sabine Lingelbach Geschäftsführerin
Dateianhänge
TSVG2019_2.pdf
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Online-Version-Update-Krebsforschung-1-2019.pdf
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Digitale_Souveraenitaet_2019_final.pdf
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