Das sehen Ihre PatientInnen: Endoradiotherapie bei Prostatakrebs: Neue Bestrahlung von innen
Montag, 08. November 2021
Hoffnungsträger bei Prostatakrebs: Bei der Endoradiotherapie wird der Tumor von innen bestrahlt. Das gelingt mithilfe eines radioaktiven Medikaments. Die Bestrahlung von innen ist gut verträglich.

Prostatakrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Männern. Da dieser Tumor erst sehr spät durch Symptome auf sich aufmerksam macht, bleibt er meist lange unbemerkt. Die regelmäßige Früherkennungsuntersuchung bietet deshalb die beste Chance, ihn so rechtzeitig zu entdecken, dass er sich noch entfernen lässt, bevor er Metastasen gebildet hat.

Wird der Krebs erst später aufgrund von Symptomen wie Problemen beim Harnlassen, schmerzhaften Ejakulationen oder Schmerzen im unteren Rücken entdeckt und sind bereits Metastasen vorhanden, gilt er als nicht mehr heilbar.

Endoradiotherapie steht vor der Zulassung
Mit der sogenannten Endoradiotherapie steht nun ein neues Verfahren vor der Zulassung, das den Tumor zurückdrängt und den Betroffenen so zumindest wertvolle Lebenszeit schenken kann. Im Vergleich zur Chemotherapie und herkömmlicher Bestrahlung ist die Bestrahlung von innen gut verträglich, sodass die Lebensqualität nicht so stark beeinträchtigt wird.

Anders als bei einer klassischen Bestrahlung, bei der das gesamte Behandlungsfeld mit ionisierender Strahlung "beschossen" wird und dabei sowohl Tumorzellen als auch gesundes Gewebe getroffen werden, ist die Endoradiotherapie hochspezifisch. Die Isotope werden von den Tumorzellen aufgenommen - und können dann ganz lokal wirken, ohne auch die umliegenden Zellen zu zerstören.

Radioaktives Medikament mit hoher Wirksamkeit
Das radioaktive Medikament wird über die Vene verabreicht und dockt im Körper gezielt an den Krebszellen an, indem es ein spezielles Protein bindet, das es nur auf der Hülle der Prostata-Tumorzellen gibt. Dort angekoppelt zerstört das strahlende Medikament durch sein Elektronenbombardement die Krebszellen.

In den bisherigen Studien ließ sich der Krebs so bei einem Drittel der Patienten zurückdrängen, bei einem weiteren Drittel kam die Krankheit zum Stillstand. Damit ist die Therapie in diesem fortgeschrittenen Stadium außergewöhnlich erfolgreich.

Lokale Strahlentherapie bewährt bei Schilddrüsenknoten
Das Grundprinzip der lokalen Strahlentherapie wird schon seit Jahrzehnten erfolgreich in der Behandlung von Schilddrüsenknoten eingesetzt. Dabei nutzten Nuklearmedizinerinnen und Nuklearmediziner die Spezifität von Jodid, das nur von Schilddrüsengewebe aufgenommen wird. Inzwischen sorgen aber spezielle Bio-Moleküle als Transporter für die radioaktive Fracht in die Tumorzellen.

Erfolgskontrolle mit Tomografien im PET und CT
Eine Erfolgskontrolle lässt sich mit der Positronen-Emissions-Tomografie (PET) - gekoppelt mit einer Computertomografie (CT) - durchführen. Dabei werden mehrere Bilder des Körpers erstellt, die die untersuchte Region schichtweise zeigen und Stoffwechselaktivitäten im Gewebe darstellen. Tumoren und Metastasen sind als hell leuchtende Flecken in den Aufnahmen zu erkennen. Schlägt die Therapie an, werden die leuchtenden Flecken immer kleiner - die Metastasen schrumpfen.

Endoradiotherapie als neue Säule der Krebsmedizin?
Früher wurden Krebspatientinnen und -patienten nur zur Suche nach Tumoren und Metastasen in die nuklearmedizinische Abteilung geschickt. Nun verschmelzen Therapie und Diagnostik, denn radioaktive Substanzen können Krebszellen nicht nur für die Diagnostik markieren, sondern auch direkt bekämpfen.

Noch ist die Endoradiotherapie auf schwerkranke Menschen beschränkt, bei denen alle anderen Therapie-Optionen versagt haben. Doch die Ergebnisse der aktuellen Studie sind so überzeugend, dass die Medikamente bald auch schon bei Primärtumoren eingesetzt werden könnten. Also nicht erst, wenn der Krebs schon in den Körper gestreut hat.

Neben Prostatakrebs könnten möglicherweise auch andere Krebsarten so behandelt werden, darunter Hirntumoren, Brustkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs und Darmkrebs. Entsprechende Studien laufen bereits. Immer, wenn eine spezifische Struktur auf der Oberfläche der Tumoren identifiziert wird, könnten Nuklearmediziner möglicherweise eine Therapie entwickeln, die diese gezielt mit Radioaktivität angreift und so die Erkrankung ohne schwere Nebenwirkungen so lange wie möglich unter Kontrolle hält.

Jährliche Vorsorgeuntersuchung für Männer ab 50 sinnvoll
Jeder Mann ab 50 Jahren sollte einmal pro Jahr eine urologische Vorsorgeuntersuchung mit rektaler Tastuntersuchung durchführen lassen. In Absprache kann es auch sinnvoll sein, einmal den PSA-Wert bestimmen zu lassen, um spätere Abweichungen besser einordnen zu können.

Wer in der Verwandtschaft ersten Grades Familienmitglieder hat, die an Prostata-, Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt sind, sollte wegen einer möglichen erblichen Veranlagung (BRC1/2) bereits mit 40 Jahren zur Vorsorge und gegebenenfalls auch zur tumorgenetischen Beratung gehen. Das Wissen um eine genetische Belastung kann sowohl für nachfolgende Generationen als auch für die Behandlung relevant sein.

Expertinnen und Experten zum Thema
Prof. Dr. Inga Peters, Leitung Prostatakarzinomzentrum und Fokale Therapie
Geschäftsführende Oberärztin
Klinik für Urologie und Urologische Onkologie
Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
www.mhh.de/spezialsprechstunde

Klinik für Nuklearmedizin, Medizinische Hochschule Hannover
Univ.-Prof. Dr. Frank Michael Bengel, Direktor
Prof. Dr. Thorsten Derlin, Leitender Oberarzt
Prof. Dr. Tobias Ludwig Ross, Leiter Radiopharmazeutische Chemie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1
30625 Hannover
(0511) 532-25 77
www.mhh.de/klinik-fuer-nuklearmedizin

Prof. Dr. Bernd Joachim Krause, Universitätsmedizin Rostock

 

Link zur Sendung: https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Endoradiotherapie-bei-Prostatakrebs-Neue-Bestrahlung-von-innen-,prostata172.html