REZENSION Die Gesundheitslüge
Freitag, 15. Januar 2021
Info 01-21

Risiken und Nebenwirkungen eines kranken Systems, Martin Marianowicz,
192 Seiten, 2020, Gräfe und Unzer Autorenverlag, ISBN-13: 9783833874772, 19,90€

 

Nein, eigentlich kein Corona-Buch – sondern erfrischend mal ein Buch ohne dieses Wort, bis auf das kleine eingeklebte Booklet, indem der Autor erläutert, warum seine Thesen trotzdem zur richtigen Zeit kommen und auch auf die Corona-Krise Anwendung finden können.

Orthopäde Marianovicz widmet sich der eigentlichen Thematik – dem Arzt-Patienten-Verhältnis an Hand von 7 Krankheitssymptomen und „rechnet“ dabei vorrangig mit seinen Fachgebiets-KollegInnen ab:  Übertherapierung, zu viel Gerätediagnostik (!), zu viele Krankenhäuser, zu viele Betten, ein rigides Vergütungssystem, zu viel Lobbyismus, zu teure und zu viel Verwaltung, Innovationsfeindlichkeit.
Im Kapitel über die Gerätediagnostik zeigt sich, zumindest bezogen auf die Radiologie, das Grunddilemma: überbordende Diagnostik von Teilgebiets-Radiologen, die aber aus den Bildbefunden nicht die richtige Therapie ableiten, sondern sie „nur“ als Begründung für die ebenso überbordenden Eingriffe hernehmen. Ebenso gibt es schöne Zahlen zum MRT-Aufkommen in Europa – woraus sich eigentlich nur schlussfolgern lässt: es ist was faul in der Welt der Weiterbildung und Zusatzqualifikationen. „Röntgen ist lukrativ, deshalb verfügen viele Praxen über eigene Geräte.... im österreichischen Gesundheitssystem gibt es solche Teilgebietsradiologen nicht. Die Ärzte müssen den Patienten erst zum Radiologen schicken.“ ( S. 39/40).

Ein lesenswertes, sogar mitunter kurzweiliges Buch über das deutsche Gesundheitssystem – ein Parvorce-Ritt, wenn man sich mal schnell informieren will, und der 15-fachen Verordnung  zur Genesung am Schluss. Der Ausblick, dass es eine Zeit nach Corona gibt, ist nach 11 Corona-Monaten allerdings nur mäßig tröstend.
(sl)