Wann mit der Brustkrebsvorsorge beginnen?
Mittwoch, 11. Dezember 2019
Eine schwedische Kohortenstudie zeigt, dass ein risikoadaptiertes Alter für den Beginn der Brustkrebsvorsorge sinnvoll ist. Eine mögliche positive Familienanamnese muss dabei berücksichtigt werden, besonders wenn Verwandte ersten Grades ebenfalls von Brustkrebs betroffen sind.
Brustkrebs

Hintergrund

Bei einem Viertel aller neu diagnostizierten Krebserkrankungen handelt es sich um Brustkrebs. Brustkrebs hat die höchste Mortalitätsrate bei Frauen weltweit und ist für 15% aller Krebstode bei Frauen verantwortlich. Ein nichtveränderbarer Risikofaktor für Brustkrebs ist eine positive Familienanamnese. Das Risiko für eine Brustkrebserkrankung bei positiver Familienanamnese variiert mit dem Alter, der Anzahl an Betroffenen in der Familie, deren Verwandtschaftsgrad sowie deren Alter bei der Diagnosestellung.

Eine frühe Erkennung von Brusttumoren ist meist nur durch eine Brustkrebsvorsorgeuntersuchung möglich und hat dazu geführt, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die Mortalitätsrate bei Brustkrebs-Patientinnen um bis zu 20% gesenkt werden konnte. Das Screening ermöglicht durch die frühe Erkennung von Brustkrebs, dass den Patientinnen mehr und meist effizientere Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen.

Die meisten Vorsorgeprogramme und die entsprechenden Leitlinien empfehlen jedoch ein einheitliches Vorgehen basierend auf einer Altersempfehlung ohne die Familienanamnese zu berücksichtigen. Sie basieren auf Expertenmeinungen und nicht auf empirischer Evidenz.

Zielsetzung

In dieser Kohortenstudie sollte das absolute Familienrisiko, verbunden mit dem Alter bei Diagnosestellung und der Anzahl von erkrankten Verwandten ersten und zweiten Grades, auf Grundlage eines der weltweit größten Datensätze bewertet werden. Das Hauptziel war es, ein risikoadaptiertes Alter als Startpunkt für die Brustkrebsvorsorge zu bestimmen.

Methodik

Grundlage für diese Studie war ein anonymer Datensatz basierend auf den Daten des schwedischen Multigenerationen-Registers (= schwedisches Krebsregister), Volkszählungen und dem schwedischen Sterberegister. Eingeschlossen wurden alle Frauen, die nach 1932 geboren wurden und bei denen mindestens ein Verwandter ersten Grades (VeG) bekannt war. Brustkrebs wurde definiert als Auftreten von primären invasiven Brusttumoren bei Frauen.

Ergebnisse

Allgemein:

Insgesamt wurden 5.099.172 Frauen in diese Studie eingeschlossen und 118.953 Frauen (2,3%) erhielten die Diagnose invasiver Brustkrebs. Davon konnte für 102.751 Frauen (86,4%) keine positive Familienanamnese für Brustkrebs sowohl für Verwandte ersten Grades als auch für Verwandte zweiten Grades (VzG) nachgewiesen werden.

Das Risiko, in den nächsten 10 Jahren einen Brustkrebs zu entwickeln, betrug für Frauen:

  • bei einem Alter von 40 Jahren: 1,1%
  • bei einem Alter von 45 Jahren: 1,8%
  • bei einem Alter von 50 Jahren: 2,2%

Das Lebenszeitrisiko (0-79 Jahre) für 16.202 Frauen (13,6%) mit einer positiven Familienanamnese für Brustkrebs liegt zwischen 11 und 23% und für Frauen ohne positive Familienanamnese (n = 102.571; 86,4%) bei 9,4%.

Der Einfluss von Verwandten ersten und zweiten Grades mit einer Brustkrebs-Diagnose:

Das risikobasierte Alter für den Beginn der Brustkrebsvorsorge variiert mit der Anzahl an Verwandten ersten und zweiten Grades mit einer Brustkrebs-Diagnose und dem Alter der Diagnose bei Verwandten ersten Grades.

  • Liegt die Empfehlung und der allgemeine Beginn für ein Screening bei 50 Jahren, haben Frauen mit einem betroffenen VzG und keinem VeZ ein vergleichbares Risiko mit dem Alter von 45 Jahren. Dabei hat es keine klinische Relevanz ob die erkrankte Verwandte von mütterlicher oder väterlicher Seite ist.
  • Bei Frauen mit mehreren betroffenen VzG und keinem VeZ liegt das vergleichbare Risiko bei 41 Jahren.
  • Frauen mit einem betroffenen VeG und keinem VzG besitzen ein 10-Jahres-kumuliertes Risiko von 2,2% bei einem Alter von 40 Jahren. Sind zusätzlich zum VeG noch VzG an Brustkrebs erkrankt liegt das vergleichbare Risiko bei 38 Jahren.
  • Frauen mit mehreren an Brustkrebs-erkrankten VeG mit oder ohne VzG hatten ein 10-Jahres-kumuliertes Risiko von 2,2% bei einem Alter von 35 Jahren.

Einfluss des Alters von Verwandten ersten Grades bei Diagnosestellung:

Das Alter der VeG bei der Diagnosestellung des Brustkrebses beeinflusst das Risikolevel für Vorsorgebeginn.

  • Ausgehend von einer Screening-Empfehlung im Alter von 40 Jahren und einem 10-Jahres-kumulierten Risiko von 1,1% haben Frauen mit einer diagnostizierten VeG im Alter unter 40 Jahren, ein vergleichbares Risiko bereits im Alter von 30 Jahren.
  • Dieses Alter liegt bei 32 Jahren, wenn die VeG ihre Diagnose im Alter zwischen 40 und 44 Jahren erhält und bei 36 Jahren für Frauen mit einer VeG und der Diagnose im Alter von über 50 Jahren.

Das Alter von VzG war nicht aussagekräftig zur Bestimmung des Alters von Frauen für das vergleichbare Screening-Level Risiko.

Vergleich der Ergebnisse mit Empfehlungen aktueller Leitlinien:

  • Aktuell wird von der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO ein Alter von 50 Jahren für den Beginn des Brustkrebs-Screenings empfohlen, unabhängig von der Familienanamnese. Nimmt man eine Frau von 47 Jahren mit einer VeG mit Brustkrebs, soll diese nach den aktuellen Leitlinien ihr Screening mit 50 Jahren beginnen. Dies ist nach den Ergebnissen dieser Studie elf Jahre zu spät, da das evidenzbasierte Alter auf 39 Jahre bestimmt wurde.
  • Auch gegenüber der Leitlinie der American Cancer Society (Screeningempfehlung liegt bei 45 Jahren), ist diese Empfehlungen gegenüber den in dieser Studie erhaltenen Daten acht Jahre verspätet.
  • Vergleichbare Empfehlungen zeigt hingegen die Leitlinie des American College of Radiology mit 30 Jahren oder 10 Jahre früher als die jüngste VeG mit diagnostiziertem Brustkrebs.

Insgesamt konnten bei dem Vergleich mit unterschiedlichen Leitlinien Abweichungen von -6 bis +24 Jahre gefunden werden.

Fazit

Diese Kohortenstudie zeigt, dass ein risikoadaptiertes Alter bei Frauen für den Beginn der Brustkrebsvorsorge sinnvoll ist. Das Alter für den Beginn variiert mit der Anzahl an Verwandten ersten und zweiten Grades, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt sind. Dies kann eine Hilfestellung für Ärzte und Betroffene sein um eine Entscheidung für den Beginn der Brustkrebsvorsorge zu treffen.

So zeigt sich, dass wenn die allgemeine Empfehlung des Beginns der Brustkrebsvorsorge bei 50 Jahren liegt, Frauen mit positiver Familienanamnese (mehrere VeG mit diagnostiziertem Brustkrebs) ein vergleichbares Risiko bereits mit 27 bis 36 Jahren besitzen, abhängig vom Alter der VeG bei Diagnosestellung.

Autor: Dr. Anja von Au (Medizinjournalistin)

Stand: 05.12.2019, Quelle: www.gelbe-liste.de